Mittwoch, 9. September 2015

Das Ziegenproblem

Irgendwie hat ein Kollege heute im Büro das Ziegenproblem angesprochen von welchem ich noch nie gehört hatte.

Details siehe hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ziegenproblem

Zusammengefasst stelle man sich die gute alte GameShow Geh aufs Ganze mit dem Zonk vor: Es gibt 3 geschlossene Tore - hinter einem steht ein Auto als Gewinn, hinter den beiden anderen der Zonk als Niete.

Der Spieler soll sich ein Tor aussuchen. Der Moderator bringt nun etwas Spannung ins Spiel indem er eines der beiden anderen Tore öffnen läßt. Dahinter kommt der Zonk (die Ziege) zum Vorschein.

Nun soll der Kandidat seine Wahl noch einmal überdenken. Soll er bei seiner Wahl bleiben oder das andere geschlossene Tor wählen? Bei welchem der verbleibenden 2 geschlossenen Tore ist die Gewinnwahrscheinlichkeit größer?

Ich bin auch nicht schlauer als die meisten und sage 50:50 - egal. Es sind noch 2 Tore und eine neue Entscheidung - das Auto kann hinter dem einen und genau so gut hinter dem anderen Tor sein.

Mein Kollege sagt Auswahl wechseln, denn für das zuerst gewählte Tor liegt die Gewinnwahrscheinlichkeit bei 33,3% und bei dem anderen bei 66,6%.

Er kritzelt folgendes auf (Spieler wählt Tor 1 und Moderator öffnet 2 oder 3):


Das zu Anfang für jedes Tor eine Wahrscheinlichkeit von 33,3% (also 1 Drittel) besteht ist klar. Dass nach Auflösen eines Tores dessen Wahrscheinlichkeit zu dem geschlossenen Tor addiert wird leuchtet mir nicht ein. Ich glaube das nicht. Ich glaube weiter an 50:50.

Mein Kollege zeigt mir den o.g. Wikipedia Artikel, die Tabelle mit den 9 Möglichkeiten usw. Ich lese das alles aber das macht die Sache nur komplizierter und nicht durchschaubar. Ich lese, das es viele - teils prominente - Zweifler an den 66,6% gibt und bin überzeugt, den Gegenbeweis zu finden.

Als Programmierer wähle ich den für mich einfachsten Weg: In 10 Minuten entsteht ein kleines Java-Programm mit dem ich Spiele laufen lasse und zähle wie oft der Kandidat gewinnt, wenn er:

a) bei seinem zu Anfang gewählten Tor bleibt
b) zum anderen Tor wechselt

Natürlich lasse ich noch die Gesamtverteilung der Gewinnertore zählen, um die gleichmäßige Verteilung zu prüfen. Bei 10 Durchläufen lässt diese noch stark zu wünschen übrig, bei 100 wird es besser und bei 10.000 Spielen liegen alle Tore bei 33%, d.h. jedes Tor ist annähernd gleich oft ein Gewinnertor gewesen. Damit ist das Ergebnis repräsentativ.

Ich lese die Auswertung der Kandidaten-Entscheidung und kann es kaum glauben:

...
Game:  Auto   Ziege  Ziege
Game:  Ziege  Auto   Ziege
Game:  Auto   Ziege  Ziege
---- STATS -----------------------
1: 33%   -  3336
2: 33%   -  3320
3: 33%   -  3344
---- WIN Stats -------------------
No switch: 3355
Switch   : 6645

Wenn der Kandidat nicht wechselt (No switch) gewinnt er von 10.000 Spielen 3.355 Mal das Auto, wenn er wechselt (Switch) gewinnt er 6.645 Mal.
Ungläubig lasse ich die Simulation noch einmal laufen mit nahezu gleichem Ergebnis. Die 66,6% stimmen also.
Wechseln ist statistisch gesehen von Vorteil. Ich verstehe es natürlich noch immer nicht aber weiss jetzt das ich falsch liege und bei mir ein Denkfehler vorliegt.
Die Simulation lügt nicht. Das Programm hat stur 10.000 Spiele durchgespielt.


Die Sache lässt mich nicht los. Ich will es verstehen! Ich grübel und grübel und komme schließlich zur Position des Moderators. Dieser kann nicht unbedingt frei entscheiden, welches der beiden verbleibenden Tor er öffnet:

  1. Wenn der Spieler als erstes das Tor wählt hinter dem das Auto steht kann der Moderator entscheiden welches der beiden verbleibenden Tore er öffnet (beides Ziegentore)
  2. Falls der Spieler jedoch ein Tor mit der Ziege gewählt hat, hat der Moderator keine Wahl: Das zu öffnende Tor steht fest, denn das Auto-Tor ist tabu.

Grundsätzlich ist die Position des Moderators nicht relevant aber bei mir hat das zum Verständnis beigetragen:

Die Gewinnwahrscheinlichkeit des zuerst gewählten Tores liegt bei 33,3% - klar.

Daraus ergibt sich für den Moderator:

  1. 33,3%: Moderator hat freie Auswahl zwischen den beiden Ziegen-Toren:
    Für den Spieler bedeutet das: Wechsel => Ziege, Nicht-Wechsel => Auto
  2. 66,6%: Moderator hat keine Wahl, da nur noch ein Ziegentor übrig ist
    Für den Spieler bedeutet das: Wechsel => Auto, Nicht-Wechsel => Ziege
Damit habe ich die Kurve gekriegt und kann es nachvollziehen.

Wechsel bedeutet zu 66,6% Gewinn aber eben auch zu 33,3% Ziege.
Nicht-Wechsel bedeutet nur zu 33,3% Gewinn und zu 66,6% Ziege.


Ich  habe vor Schreiben dieses Posts noch folgenden Artikel gelesen:
http://www.zeit.de/2004/48/N-Ziegenproblem

Dort steht, dass tatsächlich die Perspektive des Moderators vielen beim Verständnis der Sache hilft. Immerhin bin ich darauf allein gekommen - wenigstens etwas ;)


Und noch ein Nachtag: Der größte Teil meines Simulationsprogramms war für die Entscheidung (oder Zwangswahl) des Moderators nötig.
Als das Programm fertig war habe ich festgestellt, dass zum Bestimmen des Ergebnisses das durch den Moderator geöffnete Tor unerheblich ist.

Dieser Kommentar bei Heise bringt es einfach auf den Punkt:
http://www.heise.de/forum/heise-online/News-Kommentare/Wo-ist-das-Auto-25-Jahre-Ziegenproblem/Aah-einfacher-als-ich-zuerst-dachte/posting-23691706/show/

Richtig: Wenn der Spieler sich nicht beeinflussen lässt und bei seiner ursprünglichen Wahl bleibt, bleibt auch seine Chance auf das Auto bei 33,3%. Das Öffnen eines der anderen Tore ist für seine Gewinnchance unerheblich.
Die verbleibenden 66,6% entfallen auf das andere Tor. Es geht gar nicht anders.


Und noch ein Nachtrag

http://www.siegfriedraisin.de/index.php?option=com_content&view=article&id=16%3Aloesung-das-ziegenproblem&catid=14%3Aloesungen-zu-den-raetseln&Itemid=30&lang=de


Dehnen wir das Problem auf 100 Tore aus. 1 Auto, 99 Ziegen. Der Spieler wählt ein Tor. Die Gewinnchance liegt bei 1%. Zu 99% befindet sich das Auto aber in irgendeinem der anderen Tore.

Der Moderator öffnet beliebig viele der 99 nicht gewählten Tore. Maximal 98 so dass wir wieder beim Ursprungsproblem sind.
Es leuchtet jetzt ein: Zu 99% befindet sich das Auto hinter dem 99. Tor. Dieses durfte der Moderator die ganze Zeit nicht öffnen weil dahinter das Auto ist. 1% bleibt weiterhin beim ursprünglich gewählten Tor.


Wie auch immer: Wenn man die Kommentare bei Heise überfliegt sieht man, dass noch immer viele Leute an 50:50 glauben.
Meine Simulation hat mir gezeigt, dass ich falsch liege. Der Rest kommt, wenn man seine Gedanken öffnet.

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